In früheren Zeiten hatten die Wirtschaften im hiesigen Dorfe eine längere Ausdehnung als heute;
dies gilt namentlich von denjenigen Wirtschaften, welche sich vom Dorfe aus nach Norden erstrecken. Diese reichten,
wie erzählt wird, ehemals bis an die Landesgrenze. Der entferntere Teil dieser
Wirtschafte war mit Wald und Gestrüpp bedeckt. Doch wurde der Waldkultur so gut wie
gar keine Pflege zugewendet. Das hatte seinen Grund wohl in der Wertlosigkeit
des Holzes, in dem oft massenhaften Auftreten forstschädlicher Insekten und im Waldfrevel.
Die damaligen Herrschaftsbesitzer sahen es ein, daß der Nutzen, der Gewinn der Waldkultur
mit den Jahren eine Steigerung erfahren muß, daher trachteten sie auf eine Vergrößerung ihrer Waldbestände.
Um dieses zu erreichen, drangen sie auf eine Abgrenzung und Abrundung des
bäuerlichen und sonstigen rustikalen Grundbesitzes solcher Wirtschaften, deren Eigentümer wohl
ihren Verpflichtungen als herrschaftliche Untertanen nachkamen, sonst aber über ihren Besitzstand als
frei vererbliches, von der Domäne unabhängiges Eigentum frei verfügen konnten.
In der Folge der Zeit führten auch die Herrschaftsbesitzer unter Beiziehung
eines kaiserlichen Kommisärs die Abgrenzung und Abrundung der Wirtschaften mit einer
solchen Umsicht und Geschicklichkeit durch, daß sie im allgemeinen keinen
allzu großen Widerstand unter den Bauern fanden. Die angeeigneten Grundstücke wurden sodann als Gesamtbestand
von den Herrschaften unbehindert in Besitz genommen und ihren Gebieten einverleibt.
Auf diese Art wurde sowohl der allodiale und fideikommissarische als auch
der klösterliche Großgrundbesitz noch mehr vergrößert und bereichert.
Einen solchen Beweis liefert auch die Gemeinde Liebenau. Hier hatte die
Adersbacher Abgrenzungskommission die Abgrenzung der Wirtschaften im Westen der Gemeinde begonnen.
Im weiteren Verlaufe ihrer Tätigkeit kam die Kommission auch an die Wirtschaft
des Johann Paul Wolf. Als dieser von der bereits begonnenen Abgrenzung in Liebenau
gehört hatte, begab er sich mit einer Axt hinaus, wo die Kommission
sein Gebiet betreten sollte, stellte sich vor den Stumpf eines gefällten Baumes
und erwartete die Kommission. Als diese zu ihm kam und ihre Arbeit auf seinem
Grunde fortsetzen wollte, soll er die Axt mit großer Wucht in den Baumstumpf
hineingetrieben und der Kommission erklärt haben: "Bis hierher und nicht weiter
darf in der Abgrenzung gegangen werden. Ohne meine Einwilligung darf mir
keine Schrittbreite Grund genommen werden, und will die Kommission gewalttätig vorgehen,
so kann sie nur über meine Leiche schreiten." Infolge des beherzten Auftretens
dieses Mannes soll die Kommission ihre Abgrenzung hier eingestellt haben und daher
kommt es auch, das sämtliche Wirtschaften vom Westen des Dorfes angefangen
abgegrenzt worden sind, und nur die Wirtschaften im Osten Nr. 45, 48 und 50 unabgegrenzt
geblieben sind und demnach auch noch heute bis an die Landesgrenze sich erstrecken.